Lothar Klötzing - seit 40 Jahren mit dem Rad quer durch Europa
OP von Frank Mahn 06.01.18
Dreieich - Das schaffen viele nicht mal mit dem Auto: Rund 26 000 Kilometer hat Lothar Klötzing im vergangenen Jahr mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dabei ist der frühere Vorsitzende des ADFC-Ortsverbandes Dreieich kein junger Hüpfer mehr, aber mit 66 Jahren konditionell voll auf der Höhe. Von seiner Erfahrung profitieren auch andere. Als Reiseleiter beispielsweise führt er Gruppen quer durch Europa.
„Ich war schon immer ein sportlicher Mensch“, erzählt Lothar Klötzing, den viele Dreieicher auch als früheren Vorsitzenden des DGB-Ortskartells kennen. Laufen, Fußball, Tischtennis und eben Radfahren. Letzteres nahm seit den neunziger Jahren immer mehr an Dynamik zu. „1994 habe ich mich entschieden, mit dem Rad mehr oder weniger durchzufahren“, schildert der Sprendlinger. Soll heißen: bei jedem Wetter. Klötzing arbeitete bis zu seiner Pensionierung im Sommer vergangenen Jahres bei der Deutschen Flugsicherung in Langen, zuletzt lange als Vorsitzender des Betriebsrats. „Als ich dort anfing, lag es auf der Hand, für die paar Kilometer das Rad zu nehmen.“ Ein Klacks für ihn. Sein Auto schaffte Klötzing vor 18 Jahren ab.
Um den Werdegang zum Vollblut-Radler nachvollziehen zu können, muss man die Zeit weiter zurückdrehen. Schon mit den Kindern wurde gerne geradelt. 1978 gründete Klötzing, seit fast 50 Jahren Gewerkschafter mit Leib und Seele, mit Gert Müller unter dem Dach des DGB und der örtlichen Vhs die Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben. Mit anderen Schwerpunkten, aber nach 40 Jahren sind Studienreisen mit dem Rad die Nummer eins.
Auch mit dem Rennrad ist der Sprendlinger ab und an unterwegs, hier bei einer Tour durch den Odenwald.
Der Fokus lag damals auf der Arbeit mit Auszubildenden, Tages- und Abendveranstaltungen zur politischen Bildung, der Organisation von Bildungsurlauben (auch schon mit dem Fahrrad) und der Fortbildung von Betriebsräten. In den siebziger und achtziger Jahren hatte die Gewerkschaft in Dreieich ihre Blütezeit – bei Ellen Betrix beispielsweise waren 1 200 Menschen beschäftigt. „Doch die Basis brach langsam weg“, erinnert sich Klötzing. Bei der AG Arbeit und Leben verschoben sich in der Folge die Prioritäten. Studienreisen mit dem Rad rückten verstärkt in den Mittelpunkt, auch in den von Lothar Klötzing. Das Hobby wurde immer mehr zur Leidenschaft, die Zahl der von ihm ausgetüftelten Touren – anfangs war es nur eine längere im Jahr – steigerte sich kontinuierlich. Das Programm für 2018 listet acht Mehrtagestouren auf, die meisten sind ausgebucht. Ziele sind Zypern, Frankreich (Roussillon und Provence), Sardinien, Belgien, Böhmen, Franken und die Rhön. Sternchen geben Auskunft über den Schwierigkeitsgrad.
Freie Plätze gibt es unter anderem noch für eine Reise durch Belgien. Vom 16. bis 23. August strampeln die Teilnehmer von Antwerpen über Gent nach Brügge. Die Kennzahlen: 280 Kilometer Streckenlänge, 2 200 Höhenmeter. Das ist eher eine gemütliche Landpartie, für die anderen Trips braucht’s mehr Stehvermögen. Lothar Klötzing spricht von einer „Genusstour“ – beim Essen und Trinken macht den Belgiern bekanntlich niemand so schnell etwas vor. Auch Landschaft und Städte seien absolut sehenswert. Generell kommt der kulturelle Aspekt nicht zu kurz. „Es ist mir wichtig, dass die Leute etwas erleben und viele Dinge zu sehen bekommen.“
Wer es sich, im Mountainbiker-Jargon formuliert, richtig dreckig geben will, kann sich bei Klötzings Privattouren auspowern. Zum Beispiel im Juli in den Vogesen – sechs Etappen, 300 Kilometer, 5 200 Höhenmeter. Dafür winken kulinarische Höhepunkte: eine „Käsezeremonie“ und ein Menü bei einem ehemaligen Schüler von Altmeister Paul Bocuse. Der Sprendlinger hat in seiner Datenbank tausende Adressen von Hotels und Restaurants.
„Ich fahre seit 40 Jahren mit dem Rad durch ganz Europa“, erzählt Klötzing und zeigt auf Fotos, die bei einer Studienreise durch Transsylvanien entstanden sind. Die hat er schon dreimal gemacht. In der rumänischen Region gehen die Uhren anders, die Armut der Menschen ist unübersehbar. Zu seinen persönlichen Favoriten zählt die Frankreich-„Kreuzfahrt“ vom Atlantik zum Mittelmeer – nach fünf Touren kennt Klötzing die Gegend wie seine Westentasche.
Lichtspiele am Fahrrad - Nicht jeder Spaß ist erlaubt
Bei den Tagestouren in der Region, die er privat und und für den ADFC führt, lässt er es ruhiger angehen. Klötzing ist keiner, der seine Mitmenschen unter ökologischen Gesichtspunkten missionieren möchte. Er freut sich, wenn der eine oder andere nach einer schönen Tour Lust bekommen hat, öfter aufs Rad zu steigen. Davon hat der agile Ruheständler im Übrigen 14. Trekkingräder, Rennräder, Mountainbikes – „andere sammeln Briefmarken“, sagt Ehefrau Angelika lachend. Die 65-Jährige ist ebenfalls mit dem Radelvirus infiziert und bei vielen Touren dabei.
Lothar Klötzing ist im Sattel in seinem Element. Auch ein Schlaganfall 2014 hat ihn nur vorübergehend ausgebremst, er hat sich gut erholt. Und welche Ziele reizen ihn noch besonders? Quer durch Spanien – von Gibraltar nach Biarritz – hat er auf dem Zettel. Und Polen. Osteuropa aber erfordert eine ausgeklügelte Logistik. Daran wird’s gewiss nicht scheitern, der Mann hat ja ein Händchen fürs Organisieren.